Das ist die traurige Bilanz bis Oktober dieses Jahres. Aber: Viele dieser Unfälle könnte man mit einer vernünftigen Baumansprache vermeiden. Neben der fachlichen Qualifikation und der geeigneten Forstausrüstung wie z.B. einer Seilwinde und der persönlichen Schutzausrüstung, ist eine richtige und sorgfältig durchgeführte Baumansprache ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, Bäume im Wald sicher zu fällen. Dafür braucht es etwas Zeit, die man sich unbedingt nehmen muss, bevor die Säge gestartet wird.
Noch vor der eigentlichen Baumansprache ist es wichtig, sich einen Überblick über die Umgebung am Hiebsort zu machen: In welche Richtung soll mein Baum gefällt werden? Wo ist die nächste Rückegasse? Wie kann ich den Baum dorthin schneiden ohne die Verjüngung zu beschädigen? Wo ist meine Rückweiche und wie komme ich schnellstmöglich – Rückweiche frei räumen, frei schneiden – dorthin? Stehen abgestorbene oder Bäume mit Totholz in
der Krone in der Umgebung, die evtl. zuerst beseitigt werden müssen? Wie alt ist der Bestand? Gibt es Wanderwege oder Forststraßen in der Nähe, die man evtl. absperren muss? Ist die Umgebung abgesichert sowie Fällrichtung und Rückweiche festgelegt, wird die Baumart angesprochen: Um welchen Baum handelt es sich? Ist es ein Nadelholz oder ein Laubholz? Je nach Baumart können verschiedene weitere Gefahren erkannt werden. Ist es z.B. eine Esche, muss man damit rechnen, dass der Baum vom Eschentriebsterben befallen ist und bei der geringsten Erschütterung Kronenteile abbrechen können oder der Baum ganz umstürzt. Ist der Baum gesund oder hat er Pilzbefall? Ist der Baum evtl. durch Rotfäule innen geschwächt oder hohl? Kann meine Bruchleiste den Baum überhaupt halten? Ist Totholz in der Krone? Gibt es z.B. Totäste oder abgebrochene Gipfel am Baum? Wie hoch ist mein Baum? Danach richtet sich nämlich der Gefahrenbereich: Im Umkreis der doppelten Baumlänge darf sich außer der mit der Fällung beschäftigten Personen – bei Starkholz sind das maximal zwei, sonst eine – niemand aufhalten. Bei einem 30 m
hohen Baum bedeutet das, dass sich im Umkreis von 60 m keine weiteren Personen befinden dürfen. Der Sägenführer ist dafür verantwortlich und muss sich vor der Fällung davon überzeugen. Die Baumhöhe lässt sich mit etwas Übung mit der sog. Stockpeilung ermitteln. Von entscheidender Bedeutung für die Fällung ist außerdem, ob der Baum gerade steht oder in eine bestimmte Richtung hängt. Durch das Festlegen der Fällrichtung und aus der Hangrichtung des Baumes ergibt sich die zu verwendende Schneidetechnik. Hängt der Baum z.B. leicht entgegengesetzt zur festgelegten Fällrichtung, ist ein Rückhänger Schnitt anzuwenden. Achtung: Starke Hänger dürfen nur mit Hilfe der Seilwinde und der entsprechenden Schnitttechnik gefällt werden. Aber Vorsicht: Auch vermeintlich gerade stehende Bäume können durch eine ungleichmäßige Krone (z.B. Laubbäume am Waldrand) in eine Richtung vorgespannt sein. Die neue Sicherheitsfälltechnik, die in einem Motorsägenkurs erlernt werden muss, kann ein Aufplatzen des Baumes zwar verhindern, ersetzt allerdings nicht die sorgfältige Baumansprache. Bevor Sie aber nun ihre Säge starten, sollten Sie sich noch selbst fragen – und dabei möglichst ehrlich zu Sich sein: „Bin ich in der Lage, diesen Baum fachgerecht und sicher zu fällen?“ Eine gründliche Baumansprache und eine ehrliche Selbsteinschätzung können durchaus ergeben, dass der Baum mit der vorhandenen Ausrüstung und Technik oder mit der eigenen Qualifikation nicht in die gewünschte Richtung oder überhaupt nicht sicher gefällt werden kann. Dann sollten Sie unbedingt von der Fällung absehen und einen Profi mit entsprechenden Maschinen zu Hilfe holen. Ihr Leben und das Ihrer Angehörigen sollte es Ihnen wert sein.
Baumansprache rettet Leben
Text und Foto: SVLFG – Christian Müller